Ein heißes Eisen

 

 

Einen Teil meiner  Lehrkameraden habt Ihr ja jetzt kennen gelernt, sodass ich euch heute eine Geschichte aus der Ausbildung erzählen möchte.

 

Im Laufe der Ausbildung standen auch zwei praktische Kurse auf dem Programm, die in einem anderen Werksteil durchgeführt wurden. Das war der Pneumatikkurs und der Schweißkurs. Und dieser Schweißkurs, der hatte es in sich!

 

Dieser Kurs umfasste also das Schweißen mit der Flamme, sogenanntes Autogenes Schweißen, das Schutzgasschweißen und das klassische elektrische Schweißen mit Elektroden. So ganz nebenbei wird einem dann auch noch das Hartlöten gezeigt, das aber nach wenigen Stunden mehr oder weniger abgegolten war.

 

Die Woche fing an diesem Tag wunderbar an. Die beiden Meister stellten sich uns vor und gaben die ersten Anweisungen. So wurden wir gleich in zwei Gruppen aufgeteilt, die dann nach der Halbzweit die Plätze wechselten. Ach wie geschickt, dass es genau 2 x 8 Azubis waren, 8 mit mir aus meinem Firmenbereich und 8 aus Kirchheim, der Trafo –Union.  Die Einweisungen waren schnell durch, man nahm seinen Arbeitsplatz ein, seinen Spind und lernte dann auch gleich ein paar Marotten des Altmeisters kennen. Nichts Schlimmes, aber doch gut zu wissen, was er mag und was nicht. Leider weiß ich seinen Namen nicht mehr. Aber man muss sich ihn so vorstellen:

 

Einen Kopf größer als die meisten von uns, Schultern breit wie ein Bär, Hände wie Schraubstöcke und Hornhaut an den Fingern, mit denen hätte man glatt einer Schlichtfeile Konkurenz machen können. Er war schon für manch blöden Spruch zu gebrauchen, doch wehe man traf nicht mehr seine Toleranzgrenze….

 

Der nächste Tag kam, wir an unseren Arbeitsplätzen und der Meister kam herein zur morgendlichen Begrüßung. Zuerst ging er zu den Kollegen aus der Trafo-Union. „Guten Morgen Jungs!“ tönte es durch die Werkstatt, er schaute jedem über die Schulter und betrachtete die Arbeiten. Dazu nahm er eine Schmiedezange in die Hand, eine ganz einfach gehaltene Zange, die zum Anpacken der heißen Werkstücke gedacht ist. Anschließend kam er zu uns herüber: „Guten Morgen Männers!“ Ah ja, ganz eindeutig zu erkennen, die anderen sind die Jungs, wir sind die Männer!! (Ihr glaubt nicht, was allein diese Aussage für einen Keil zwischen uns junge Leute getrieben hat!  Frotzeleien ohne Ende….  :-)

 

So nahm der Kurs seinen Lauf, mal Theorie, mal Praxis, von allem etwas. Vor allem aber die Sicherheitsunterweisungen. Dazu gab es zwei Bilder zu sehen: Einmal die Werkstatt von außen kurz vor der Einweihung mit schöner Glasfront über die ganze Länge und ein zweites Bild, auf dem die gesamte Glasfront in Millionen von Splittern auf dem Hof lag. Der Grund: Zwei „Oberspezialisten“ hatten einen Müllsack mit einem Gemisch aus Sauerstoff und Acetylen gefüllt und zum Glück mit einer Lunte gezündet. Ein kurzes bumm und aus der geschlossenen Werkstatt wurde eine offene Werkstatt…. Okay, diesen Streich brauchten wir nicht wiederholen, den gab es ja schon….

 

Und dennoch kam es dann irgendwann dazu, dass mal wieder irgendein Kollege aufs Glatteis geführt werden musste. Gut, beim Schweißen kann man schon so manchen Blödsinn machen, aber gerade beim autogenen Schweißen waren die ermahnenden Worte sehr eindringlich gewesen, keine Experimente zu machen… Aber was soll´s, irgendwas „blödes“ muss man ja machen. Und natürlich hatte ich wieder eine Idee, die ich nur so daher geplappert habe, aber vom Kollegen sofort umgesetzt wurde.

 

Josi war das Opfer. Er war es in diesem einem Moment einfach, weil er so konzentriert mit seinem Werkstück beschäftigt war und von unserem Treiben nichts mitbekommen hat. Und er war ja geradezu dafür prädestiniert, weil er so gewissenhaft arbeitete…. Er saß also an seinem Platz, das Gesicht hinter dem Schweißschutzschild vergraben und fleißig mit dem Elektrodenschweißgerät auf seinen zwei dicken Stahlplatten herumschweißend. Und gleich daneben lag die Schmiedezange. Außerhalb seines Blickwinkels, genau richtig im Einzugsbereich des Nebensitzers.

 

Wir also rüber und mit dem Schweißbrenner die Griffe der Zange erhitzt. Ja, nicht glühend heiß, wir wollten ja nicht große Verletzungen erzielen, sondern nur heiß genug, um sich so etwas die Finger anzubrennen. Alles lief nach Plan, Josi bemerkte nichts und auch kein Meister in Reichweite.

 

Dachten wir.…

 

Genau in dem Moment, an dem wir den Brenner zurückzogen und aus machten, kam der Altmeister um die Ecke und zu uns herüber. Mitbekommen hat er anscheinend nichts von unserem Plan, aber ich vermute mal, er hat genau gespürt, dass da was in der Luft lag. Zu unserer Überraschung wollte er aber nichts von uns, sondern widmete sich ganz unserem Josi, der da sein Werkstück zusammen bruzzelte. Nachdem er fertig war griff der Meister zu seiner Schmiedezange (Aaaahhhhhh….. ????), nahm das Teil mit der Zange…. wir schon die Luft anhaltend…. schaute das Stück von allen Seiten an und legte es wieder ab. Zu unserer Verwunderung zeigte er keinerlei Regung bezüglich der heißen Griffe dieser Zange. Er lobte die Arbeit und wollte Josi noch etwas anderes zeigen und forderte ihn auf, mit zu kommen. So lag nun die heiße Zange an seinem Platz und eigentlich ist unser Gag so richtig voll in die Hosen gegangen. Nur unsere Hühnerlippe konnte es nicht mehr aushalten, ging an Josis Platz  und griff nach der Zange…. hehe…. Und lies sie aber schlagartig wieder fallen, dass sie scheppernd auf den Tisch donnerte. Waren doch die Griffe deutlich heißer geworden als zuerst vermutet! Doch, wie hat das der Meister weggesteckt? Hat er es überhaupt bemerkt?

 

Als dann im selben Moment ein wirklich hämisch grinsendes Meistergesicht hinter der Eingangstür zum Vorschein kam, wussten wir, dass wir uns diesmal selber geleimt hatten. Der Meister zeigte uns dann seine Hände, führte vor, was  er alles aushalten kann, weil über die vielen Jahre weg die Schmerzempfindung der Hände überproportional abgehärtet wurde. Und ihm gegenüber stand eine betröppelte Mannschaft…

 

Aber wenigstens hat es am Ende doch noch einen erwischt, der nicht ganz verkehrt war…